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20.04.2017 12:17

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18.04.2017 14:11

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30.09.2016 17:46

Text aus "The Body Keeps The Score" (Penguin 2014, S.17)

Imagination ist absolut essentiell für die Qualität unseres Lebens. Unsere Imagination erlaubt uns, unsere routinemäßige alltägliche Existenz zu verlassen, indem wir uns Vorstellungen machen über Reisen, Essen, Sex, Sich-Verlieben oder das letzte Wort haben, über all die Dinge, die das Leben interessant machen. Imagination erlaubt uns, neue Möglichkeiten zu visualisieren, sie ist ein entscheidender Ausgangspunkt, unsere Hoffnungen zu ermöglichen. Sie fordert unsere Kreativität, erleichtert unsere Bürden, unseren Schmerz, verstärkt unsere Freuden und bereichert unsere intimsten Beziehungen. Wenn Menschen unwillentlich und konstant in ihre Vergangenheit orientiert sind, in die (letzte) Zeit, in der sie zuletzt tiefe Verbundenheit und Emotionen gespürt haben, dann leiden sie an einem Mangel an Imagination, einem Verlust an mentaler Flexibilität. Ohne Imagination gibt es keine Möglichkeit, sich eine bessere Zukunft vorzustellen, kein Platz zu dem man gehen könnte, kein Ziel, das man erreichen möchte.

Hier noch eine Anmerkung:

Neue Erkenntnisse aus den bildgebenden Verfahren der Hirnforschung haben gezeigt, dass im Gehirn die selben Zentren bei der Ausführung von Handlungen und bei der Imagination der Ausführung dieser Handlungen anspringen. Dem Gehirn ist es also egal, ob die Handlung mental oder physisch vollzogen wird. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Vorstellung von einem angenehmen Ort oder einer positiven Situationen schon ein Gefühl von Wohlsein hervorrufen kann, das genau so gut ist wie das Gefühl, das beim realen Erleben entstehen würde.  Diese Erkenntnis macht man sich in der Krebs- und Schmerztherapie zunutze, um dadurch bessere Heilungserfolge zu erzielen.

Die Arbeit mit imaginierten Wohlfühlorten und positiven Visualisierungen sind daher heute anerkannte Mittel der Heilung. Die positive Psychologie hat sich eingehend wissenschaftlich damit beschäftigt und noch weitere Grundpfeiler des Wohlbefindens heraus gefunden: das sgn. PERMA Modell entwickelt:

PERMA bedeutet: Positive Emotionen, Engagement, Relationship (positive Beziehungen), Meaning (Sinnhaftigkeit), Achiefment, Accomplishment (Leistung, Zielerreichung). Dazu hat Seligman 24 Charakterstärken herausgearbeitet, die zusammen zu einem gelingenden Leben führen (mehr darüber in einem nächsten Beitrag).

Well-being cannot exist just in your own head. Well-being is a combination of feeling good as well as actually having meaning, good relationships and accomplishment.  Martin Seligman

06.12.2015 18:17

Daniel Siegel spricht über die neurologischen Grundlagen von Gehirn, Psyche und Bewusstsein

Den Vortrag können Sie auf You Tube finden.  Er wurde 2011 im Rahmen eines Klimasymposiums im Garrison Institute gehalten und ist auch für Nichtwissenschaftler gut verständlich. Ich werde hier versuchen, die wichtigsten Aspekte wiederzugeben. Da dies nur eine Zusammenfassung ist bitte ich Ungenauigkeiten, die durch etwaige Übersetzungsfehler und Verkürzungen zustande gekommen sind, zu entschuldigen. Auch lassen sich manche Begriffe im Englischen nicht wörtlich übersetzen, so benutze ich für den Begriff Mind die Übersetzung Psyche was nicht exakt das Gleiche ist.

Daniel Siegel hat seinen PHD als klinischer Psychiater an der Haward University abgeschlossen und ist Professor und Mitbegründer der UCLA School of Medicine, wo er am Center for Culture, Brain, and Development lehrt. Er ist Mitgründer des Mindful Awareness Research Center.

Einer seiner Schwerpunkte ist die Forschung zur Relation von Psyche und Gehirn, die er bei der Interaktion von Eltern zu ihren Kindern untersuchte. In diesem Zusammenhang arbeitete er mit großen Gruppen von Therapeuten, Psychologen und Hirnforschern zusammen. Keine der unterschiedlichen Gruppen konnte jedoch eine exakte Definition von Psyche so geben, dass die anderen Gruppen damit zufrieden gewesen wären. Daniel Siegel erarbeitet in dem Vortrag seine Definition von Psyche und wie sie zusammen hängt mit den Begriffen Gehirn und Beziehung

Gehirn ist eine Ansammlung von ca.100 Milliarden Nervenzellen, die Synapsen bilden und die sich dabei selbst unterstützen. Jede Nervenzelle kann ca. 10.000 Verbindungen aufbauen. Dabei wird elektrische Energie in chemische verwandelt und wieder in elektrische, so dass ein Energiefluss entsteht. Das Gehirn bringt also elektrische Energie zum Fließen. Das Gehirn ist im Körper verankert, das heißt, es ist mit dem ganzen Körper verbunden. 

Die Definition von Psyche ist weitaus schwieriger, aber Siegel und seine Kollegen fanden folgende allgemeingültige Definition: Psyche ist ein eingebundener emergenter Prozess, der den Fluss von Energie und Information reguliert. Hier bringt er den Begriff der Beziehungen als Austausch von Energie und Information hinzu, von dem die Psyche nicht unabhängig ist. 

Somit hat er drei fundamentale Aspekte einer Realität menschlicher Erfahrung in Zusammenhang gebracht. Einmal die Beziehung mit der Fähigkeit des Teilens von Energie und Information. Zum Anderen das Gehirn, das die Energie und Information zum Fließen bringt und zum dritten die Psyche, die diesen Prozess reguliert. Er bildet daraus ein Dreieck, das nur zusammen interagiert. Das System ist ein offenes System, das heisst mathematisch gesehen ein chaotisches System, das den dynamischen Gesetzen gehorcht. (Clowd). Die Psyche ist dabei das Notfallsystem, das den Fluss von Energie und Information regelt. Der Aspekt der Beziehung ist offen, da er immer wieder neue Parameter von außen in den Kreislauf hinein bringt. Alles zusammen bildet ein Muster. Die Struktur des Musters ist die Art, in der ein Mensch den Kontext, in dem er lebt, interprätiert. Es ist das Selbst. Das Selbst ist nicht der physische Körper. 

Früher definierte man das Selbst als das singulare Jetzt, das abgegrenzt vom WIR existert. Siegel deutet an, dass diese Definition des Selbst zum Untergang der Welt führen kann. Durch die Erkenntnisse des Zusammenhangs von Gehirn, Psyche und Beziehungen stellt sich heraus, dass das ICH nicht isoliert gesehen werden kann, sondern dass es verbunden ist mit dem DU (durch die Beziehung) und dass wir ein gemeinsames WIR haben. Die Psyche ist geformt von der Interaktion der Beziehungen. 

Das Konzept des Bewusstseins ist nicht zu definieren bisher, aber ein Teilaspekt von Bewusstsein ist die Möglichkeit der Modifikation, was zur Verhaltensänderung führt.

Jede Art von Psychotherapie beruht auf der Möglichkeit der Veränderung von Bewusstsein. Wenn es eine Wahlmöglichkeit gibt, dann gibt es auch Veränderung. Ohne Bewusstsein schaltet das Gehirn auf Autopilot. Dabei gibt es keine Wahlmöglichkeit. Das Bewusstsein bringt die Psyche dazu, den Modus des Autopiloten zu verlassen und neue Kombinationen von Verhalten zuzulassen. 

Der Fokus auf Achtsamkeit (und damit auf die Psyche) kann die Struktur des Gehirns verändern. Dies wurde in vielen Versuchen wissenschaftlich nachgewiesen. 

Man kann also mit Absicht die Struktur des Gehirns verändern durch das Bewusstsein. Aber nicht alle Aufmerksamkeit ist gleich Achtsamkeit. Die fokussierte Aufmerksamkeit hat eine andere Qualität, da meine Fokussierung nie die gleiche ist wie deine. Siegel bringt bildhaft das Beispiel der Mülltrennung hier ein, wo der Griff zur gelben Tonne sehr bewusst mit Achtsamkeit getan werden muss. Hier gilt der Satz I AM WE.

Nun stellt er die große Frage, wie man Energie von Menschen bekommen kann. Um sich der Frage zu nähern, die er erst am Ende beantwortet, wendet er sich zunächst der Zellentwicklung zu: Jede Zelle hat Gene, wodurch sich manche Zellen als Ektoderm und andere als Endoderm entwickeln. Die Haut ist das Organ, das außen und Innen verbindet und die Nervenzellen sind das verbindende kommunizierende Glied zwischen den Zellen. Er führt aus, dass das menschliche Gehirn bei der Geburt noch sehr wenig entwickelt ist. Nun macht er noch einen Exkurs über den Aufbau des Gehirns: Der 300 Millionen Jahre alte Hirnstamm ist bei der Geburt voll ausgebildet. Dann entwickelt sich sehr schnell das Lymbische System aus, das 200 Millionen Jahre alt ist. Hier sind unter anderem Gefühle wie Angst, und die Struktur von Beziehungen, Sinngebung und Bedeutung  verankert. Im Kortex, dem Teil, der sich in den ersten Lebensjahren noch entwickelt, entstehen Landkarten die er mit einem Motor vergleicht, der zum Beispiel dafür sorgt, dass man sich verhalten kann, er fokussiert viele Körperregulationen (zum Beispiel kann er die Angst in Handlungen umwandeln), er sorgt für Flexibilität. Im mittleren Teil entsteht z.B. eine Landkarte für die Empathiefähigkeit, die das ME in das WE umwandelt und eine andere für Moralempfinden, die uns die "richtigen" Dinge tun lässt. 

Die Art und Weise, wie sich Beziehungen gestalten, formen das Gehirn. (Darüber schreibe ich mehr in einem späteren Beitrag über Allan Schore). Siegel resumiert: Eine gesunde Psyche ist also fähig, den Energie- und Informationsfluss zu einem integrativen Prozess zu formen. 

Verhalten ist hirntechnisch ein Prozess aus dem sgn. Top-Down Menu. Es filtert alle Eindrücke, die man gelernt hat und reagiert darauf. Im Gegensatz dazu gibt es das Bottom-Up Menu, aus den unteren Schichten des Gehirns aufsteigend, wobei man unerwartete und neue oder ungefilterte Eindrücke wahrnimmt, die neue Kombinationen zulassen.

Sinn und Identität, sagt Siegel, wird von der "Landkarte" gesteuert, die Verhalten bestimmt und die bestimmt, dass das ICH in das WIR umgewandelt wird. Als Beispiel führt er an: Wenn Sie merken, dass zuhause ein Chaos herrscht, dann räumen Sie auf. Oder: Wenn Sie die gleiche Luft atmen wie ihr Nachbar, dann achten Sie darauf, dass diese Luft sauber ist. Interaktion ist also die Verbindung von differenzierten Teilen. Wenn die Beziehungen interaktiv sind, dann wird der Mensch also integrativ. Der Mensch agiert integrativ. Daraus entsteht Harmonie und Gesundheit. 

Im Gegensatz dazu entsteht Chaos oder am entgegengesetzten Ende Rigidität, wenn der Mensch nicht integrieren kann und nicht interaktiv ist. Alle psychischen Krankheiten kann man so auf einer Skala einordnen, die im Bereich zwischen psychischem Chaos und am anderen Ende einem  Ausdrucke von Rigidität stehen.

Zum Schluss spricht Daniel Siegel eine große Hoffnung aus, die die obige Frage, wie man Energie durch den Menschen bekommt, einschließt:  

Menschen können sich helfen, sich miteinander zu verbinden, weil ihr Selbst nicht nur ihr Körper ist.