Bessel van der Kolk über Imagination

30.09.2016 17:46

Text aus "The Body Keeps The Score" (Penguin 2014, S.17)

Imagination ist absolut essentiell für die Qualität unseres Lebens. Unsere Imagination erlaubt uns, unsere routinemäßige alltägliche Existenz zu verlassen, indem wir uns Vorstellungen machen über Reisen, Essen, Sex, Sich-Verlieben oder das letzte Wort haben, über all die Dinge, die das Leben interessant machen. Imagination erlaubt uns, neue Möglichkeiten zu visualisieren, sie ist ein entscheidender Ausgangspunkt, unsere Hoffnungen zu ermöglichen. Sie fordert unsere Kreativität, erleichtert unsere Bürden, unseren Schmerz, verstärkt unsere Freuden und bereichert unsere intimsten Beziehungen. Wenn Menschen unwillentlich und konstant in ihre Vergangenheit orientiert sind, in die (letzte) Zeit, in der sie zuletzt tiefe Verbundenheit und Emotionen gespürt haben, dann leiden sie an einem Mangel an Imagination, einem Verlust an mentaler Flexibilität. Ohne Imagination gibt es keine Möglichkeit, sich eine bessere Zukunft vorzustellen, kein Platz zu dem man gehen könnte, kein Ziel, das man erreichen möchte.

Hier noch eine Anmerkung:

Neue Erkenntnisse aus den bildgebenden Verfahren der Hirnforschung haben gezeigt, dass im Gehirn die selben Zentren bei der Ausführung von Handlungen und bei der Imagination der Ausführung dieser Handlungen anspringen. Dem Gehirn ist es also egal, ob die Handlung mental oder physisch vollzogen wird. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Vorstellung von einem angenehmen Ort oder einer positiven Situationen schon ein Gefühl von Wohlsein hervorrufen kann, das genau so gut ist wie das Gefühl, das beim realen Erleben entstehen würde.  Diese Erkenntnis macht man sich in der Krebs- und Schmerztherapie zunutze, um dadurch bessere Heilungserfolge zu erzielen.

Die Arbeit mit imaginierten Wohlfühlorten und positiven Visualisierungen sind daher heute anerkannte Mittel der Heilung. Die positive Psychologie hat sich eingehend wissenschaftlich damit beschäftigt und noch weitere Grundpfeiler des Wohlbefindens heraus gefunden: das sgn. PERMA Modell entwickelt:

PERMA bedeutet: Positive Emotionen, Engagement, Relationship (positive Beziehungen), Meaning (Sinnhaftigkeit), Achiefment, Accomplishment (Leistung, Zielerreichung). Dazu hat Seligman 24 Charakterstärken herausgearbeitet, die zusammen zu einem gelingenden Leben führen (mehr darüber in einem nächsten Beitrag).

Well-being cannot exist just in your own head. Well-being is a combination of feeling good as well as actually having meaning, good relationships and accomplishment.  Martin Seligman